Der Antikythera-Mechanismus ist ein über 2000 Jahre alter mechanischer Kalenderrechner von staunenswerter Präzision. Im Strudel der kriegerischen Geschichte ging das zugrundeliegende Ingenieurswissen verloren, und erst moderne Visualisierungsmethoden vermögen den radiologischen, archäoastronomischen und mathematischen Daten Gestalt zu verleihen, den Mechanismus virtuell wiederauferstehen zu lassen und in interaktiver Form allgemein zugänglich zu machen.
Der Mechanismus von Antikythera, eine von den alten Griechen geschaffene dedizierte astronomische Rechenmaschine, wurde 1901 im Wrack eines ums Jahr 60 v. Chr. gesunkenen Schiffs entdeckt. Lange Zeit blieben die unscheinbaren, stark korrodierten und von Kalk überzogenen Fragmente unbeachtet. Erst moderne Röntgen- und Computertomographieverfahren brachten die spektakulären mechanischen Details an den Tag, die sich im Inneren der grössten erhaltenen und im Archäologischen Nationalmuseum Athen ausgestellten Fragmente verbergen. Der komplexe Apparat ist ein Beweis für den technisch-wissenschaftlichen Wissensstand der klassischen Antike, den Europa erst über ein Jahrtausend später wieder erreichen sollte.
Jahrzehnte intensiver Forschung haben ein Konvolut von Daten erhoben, deren Visualisierung bisher zu wünschen übrig liess. Physische Nachbauten sind in der Herstellung sehr aufwändig und entsprechend selten, digitale Modelle sind oft veraltet und nicht interaktiv, Schaugrafiken sind weder interaktiv noch animiert.
3D-Modellierung und Virtual Reality (VR), erstellt mittels Open-Source-Softwaretools und -Frameworks, erlauben es heute, ein interaktives, animiertes Modell anzufertigen, das über das Web ausgespielt werden kann und damit auf allen Endgeräten lauffähig ist, die über einen Browser verfügen. Eine Visualisierung des Mechanismus von Antikythera in VR ist damit nicht nur ein Ergebnis wissenschaftlicher Visualisierung, sondern auch ein Instrument der Wissenschaftskommunikation. Die von mir angefertigte und online verfügbare Rekonstruktion entspricht dem aktuellen Stand der Forschung und verzichtet auf spekulative Erweiterungen.
Der mechanisch korrekt animierte Nachbau ist sowohl für grosse Bildschirme als auch für Tablets und Smartphones geeignet und lässt sich beliebig im virtuellen Raum drehen und zoomen, so dass sich die Anzeigen und die zugrundeliegende Mechanik mühelos erschliessen lassen. Bei verändertem Forschungsstand lässt sich das Modell ausserdem kostengünstig und rasch an neue Datenlagen anpassen.
Das Beispiel des Mechanismus von Antikythera zeigt, wie quelloffene und frei verfügbare Softwareprodukte dazu genutzt werden können, komplexe Sachverhalte und Datenlagen anschaulich zu visualisieren und, in virtuell dreidimensionaler und interaktiver Form, für Wissenschaft und Öffentlichkeit frei verfügbar zu machen.