Das Medium des Tastreliefs, verstanden als plastische Umsetzung von haptisch nicht erfassbaren Inhalten wie Bildern, bildet den Ausgangspunkt unseres Projekts „A Touch of Rubens“. Wir haben uns gefragt, wie sich dieses Medium mit digitalen Technologien weiterdenken lässt, um die Barrieren für Menschen mit Behinderungen weiter zu senken und zugleich inklusiv einen Mehrwert für alle Museumsbesuchende zu schaffen.
Entstanden ist dabei ein sprechendes Tastrelief, das Peter Paul Rubens‘ Gemälde „Occasio“ interaktiv und spielerisch aufschließt. Die Besuchenden können die einzelnen Figuren und Elemente des Werks nicht nur erfühlen, sondern auch wie Tasten herunterdrücken, um über die Audioebene mehr über ihre Rolle in der dargestellten Szene zu erfahren. Jeder Audiobeitrag verweist dabei auch auf weitere relevante Bildelemente und motiviert so zur eigenständigen Erkundung des Werks.
Weitere um das Relief angeordnete Tasten mit Schwarz- und Brailleschrift bieten die Möglichkeit, eine Einführung oder eine Beschreibung des Bildaufbaus abzuspielen, die Sprache zwischen Deutsch und Englisch zu wechseln oder die Audiowiedergabe zu stoppen.
Ergänzend haben wir eine Web-App umgesetzt, in der neben den Audioinhalten auch Transkripte der Sprecher*innentexte aufgerufen werden können.
Die Webanwendung lässt sich über die Projektwebsite (siehe Link) aufrufen.
Das entwickelte und realisierte Konzept baut im Kern auf zwei verschränkte Merkmale:
Multimodalität: Neben dem Tastsinn wird auch der Hörsinn angesprochen und als Zugang nutzbar gemacht. Auf diese Weise können komplexe und abstrakte Sachverhalte simultan zur haptischen Erfahrung vermittelt werden, wodurch der Erkenntnisgewinn der Besuchenden gesteigert wird.
Spielerische Interaktion: Das Tastrelief lädt zum selbstständigen Erkunden des ikonografisch dichten Gemäldes ein. Die Besuchenden wählen selbst aus, über welche Elemente sie mehr erfahren wollen und in welcher Reihenfolge. Sie erschließen die dargestellte Handlung folglich interaktiv und nicht-linear aus einzelnen narrativen Puzzlestücken. Die ‚Point-and-Click‘-Spielmechanik weckt dabei Neugier und motiviert Besuchende intrinsisch zur Auseinandersetzung mit dem Werk.
„A Touch of Rubens“ wurde als Kooperationsprojekt zwischen dem Siegerlandmuseum, dem Fab Lab der Universität Siegen und Menschen mit Sehbehinderung umgesetzt und durch die „Lebenslanges Lernen“-Förderung der Universität Siegen unterstützt. Sowohl das Konzept als auch der funktionale Prototyp wurden in-house durch die Kooperationspartner gefertigt. Zum Einsatz kamen hier u.a. Verfahren wie 3D-Druck für die Reliefkacheln und Laserschneiden für die mechanischen Elemente.
Der Prototyp ist im regulären Besucherbetrieb im Einsatz. Darüber hinaus findet eine qualitative empirische Untersuchung mit einer Testgruppe statt, um Weiterentwicklungspotenziale zu identifizieren. Bereits geplant sind Übersetzungen in einfache und leichte Sprache und Videos mit Gebärdensprache für die Web-App.