Am 16. November 2024 jährte sich die Zerstörung Dürens zum 80. Mal. Ein halbes Jahr vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt in einem der größten Luftangriffe durch die Westalliierten zerstört. Weit über 90% der Bausubstanz der Dürener Innenstadt wurde in eine unbewohnbare Trümmerlandschaft verwandelt. Offiziell verloren 3.126 Menschen bei diesem Angriff ihr Leben, die tatsächliche Opferzahl muss jedoch deutlich höher angesiedelt werden. Nach Jahren der umfangreichen Enttrümmerung wurde Düren maßgeblich in den 1950er und 1960er Jahren im damals zeitgenössischen Stil wieder aufgebaut und zeigt sich daher heute als Stadt im architektonischen Stil der Nachkriegszeit.
Anlässlich des 80. Jahrestags wollte das Stadtmuseum Düren in einem digitalen Projekt an dieses für die Stadt und ihre Bewohner*innen so einschneidende und prägende Ereignis der Zerstörung erinnern. Geplantes Ergebnis des Projektes ist eine multimediale Anwendung zu Bildungszwecken. Diese soll sowohl im Stadtmuseum Düren als dauerhaftes Angebot präsentiert, als auch bei Projekten mit Schulklassen im Stadtmuseum bzw. in den Schulen zum Einsatz kommen. Inhaltliches Ziel des Projekts soll sein, jungen Menschen in der heutigen Zeit eindringlich zu verdeutlichen, wie gefährlich rechtes Gedankengut ist und wohin es im schlimmsten Fall führen kann. Die jüngsten Wahlen in Deutschland haben gezeigt, dass gerade junge Menschen die Gefahr von rechtem Gedankengut nicht (mehr) richtig einschätzen können. Gleichzeitig möchten wir das bei Schüler*innen zunehmende Desinteresse am Fach Geschichte durch die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit in einem neuen digitalen Medium durchbrechen, um ihnen vor Augen zu führen, dass Geschichte immer auch mit ihnen selbst zu tun hat und sie diese mitgestalten.
Die Anwendung / Präsentation besteht aus den drei Elementen a) historische Einführung, b) Berichte von Zeitzeug*innen sowie c) einem Epilog:
- a) In der Einführung werden die Vorgeschichte und die historischen Hintergründe, die zur Zerstörung Dürens führten, kurz und verständlich dargelegt. Es geht um die sachliche Einordnung des Ereignisses, um einer etwaigen Vereinnahmung der Zerstörung und ihrer historischen Umdeutung durch rechte Kreise vorbeugend entgegenzuwirken. Die Einführung besteht aus historischem Bildmaterial, das durch eine Stimme aus dem Off ergänzt werden soll.
- b) Kernelemente der Anwendung bilden sechs Berichte von Dürener Zeitzeug*innen bilden. Dabei handelt es sich um Berichte, die bereits vor Jahren in Düren aufgezeichnet wurden und für Bildungszwecke freigegeben sind. Diese Texte sind von heutigen Sprecher*innen eingesprochen und anschließend KI-generierten Avataren „in den Mund gelegt“ worden. Diese Avatare sind zeitgenössischen Menschen der 1940er Jahre nachempfunden, um ein möglichst realistisches Bild zu erzeugen. In der Anwendung gibt also eine künstlich erschaffene menschliche Gestalt einen Erinnerungsbericht mit der Stimme eines realen Menschen wieder. Dabei besteht eine Kongruenz zwischen Geschlecht und damaligem Alter der Zeitzeug*innen und der ergänzten realen Stimme. Da die Zeitzeug*innen mehrheitlich aus Kindheits- und Jugenderinnerungen berichten, sind bei den Sprachaufnahmen Kinder und Jugendliche sowie drei Erwachsene als Sprecher*innen zum Einsatz gekommen. Hierfür konnten Schüler*innen sowie ein Geschichtslehrer vom Stiftischen Gymnasium Düren gewonnen werden.
- c) Als kurzer Epilog wird aus einem Bericht des damaligen Bürgermeisters und aus militärischen Berichten zitiert, welche das Ausmaß der Zerstörung in Worte fassen.
Erste technische Versuche, durch künstliche Intelligenz erschaffene Menschenabbilder aus dem Jahr 1944, die mit echten Kinderstimmen die bewegenden Erinnerungen wiedergeben, haben sehr eindringliche Resultate geschaffen. Präsentationen dieser Versuche vor jungen Zuschauer*innen haben gezeigt, dass diese von der Vermittlung auf scheinbar menschlicher Ebene in besonderem Maße angesprochen werden. Es kann also auf Vermittlungs- und Bildungsebene durch den Einsatz von KI ein Mehrwert geschaffen werden. Auch durch die aktive Mitarbeit von jungen Menschen als Sprecher*innen wird eine tiefere Eindringlichkeit der geschilderten Ereignisse bei dieser Zielgruppe erreicht.