Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden besitzt mit über 2400 Exponaten die vermutlich größte Theatrum mundi-Sammlung weltweit. Die wertvollen historischen Figuren können heute nicht mehr in Bewegung gezeigt werden, um sie nicht zu beschädigen. Deshalb wurde eine Szene für die Forschung des Phänomens Theatrum mundi, seine hybride Präsentation im Rahmen der Ausstellung „Der Schlüssel zum Leben“ und als interaktive Onlineausstellung digital rekonstruiert.
Was ist eigentlich ein Theatrum mundi oder Welttheater? Diese Frage hätte man im späten 19. Jahrhundert nicht stellen müssen. Die meisten Menschen hatten es auf einem Jahrmarkt oder in einem Theatersaal erlebt. In einem Theatrum mundi werden perspektivische Ansichten von Landschaften und Städten gezeigt, belebt durch sich veränderndes Licht und sich bewegende Menschen, Tiere und Fahrzeuge. Grundidee der Aufführung ist die perfekte Illusion, die Schaffung einer künstlichen Welt. Die Figuren aus Pappe, Holz oder Blech mit einer Höhe von gewöhnlich zehn bis 40 Zentimetern wurden auf eine von meist sechs hintereinander angeordneten Schienen gesetzt und durch ein sich darin drehendes Laufband mit Kurbeln bewegt. Die Kulissen waren überwiegend aus Pappe hergestellt, in ihren Umrissen ausgeschnitten und illusionistisch bemalt. Manche dieser Theater hatten eine Breite von bis zu fünf Metern und konnten so gleichzeitig von bis zu 500 Personen im Zuschauerraum gut betrachtet werden. Entstanden in der Hochzeit des Barock, erfreuten sich diese Theater bis um 1900 in ganz Europa einer großen Beliebtheit.
Da die Figuren und Kulissen bis auf wenige Theaterzettel und vereinzelte weitere Quellen die einzigen Quellen zu dieser Figurentheaterform sind und aus den oben genannten konservatorischen Gründen wurde ein digitales Tool zur Erforschung und Rekonstruktion des historischen Theatrum mundis entwickelt. Dafür wurden die Figuren und Kulissen digital nachmodelliert, ein Theaterhimmel gemalt und digitalisiert, speziell auf das Stück angepasste Theatermusik komponiert und eingespielt und verschiedene Beleuchtungsversuche unternommen, um der historischen Lichtsituation möglichst nahe zu kommen. Das fertige Tool wurde zuletzt auch als interaktive Online-Ausstellung umgesetzt und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, um die Illusion und den Zauber der historischen Theatrum mundi-Aufführung zu vermitteln.