Wie können eine moderne Erinnerungskultur und Geschichtsvermittlung aussehen? Welche Medien erleichtern den Zugang zur Geschichte des KZ Dachau und die Teilhabe für alle? Diese Fragen waren Ausgangspunkt eines Projekts der Bildungsabteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau. Entstanden ist die berührende Graphic Novel „Ein Überleben lang. Das KZ Dachau in den geheimen Aufzeichnungen des Häftlings Edgar Kupfer-Koberwitz“.
DIE GRAPHIC NOVEL ALS ERGEBNIS EINES PROJEKTS DER BILDUNGSABTEILUNG DER KZ-GEDENKSTÄTTE DACHAU
Die Graphic Novel „Ein Überleben lang“ entstand 2023/24 auf Veranlassung der Bildungsabteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau in Zusammenarbeit mit den Designagenturen Goldener Westen & Navos aus Berlin. Sie wird auf der Webseite der KZ-Gedenkstätte Dachau sowohl als animierter Kurzfilm (15 Minuten, Deutsch) als auch als ausführlichere ePaper/Flipbook-Version zur Verfügung gestellt. Beide Varianten bieten einen zeitgemäßen und berührenden Zugang zur Geschichte des KZ Dachau. Sie richten sich vor allem – aber nicht nur – an Jugendliche (ab 13 Jahren) und können von Lehrkräften und in der außerschulischen Bildung zur Vor- und Nachbereitung eines Besuchs der KZ-Gedenkstätte Dachau verwendet werden. Kürzere und ausführlichere Unterrichtsentwürfe stehen dafür zum Download zur Verfügung. Das Medium Graphic Novel vermag Geschichten zu erzählen, die gleichzeitig unmittelbar wirken und emotional berühren, aber durch die Zeichnungen trotzdem auch die notwendige Distanz und Abstraktion ermöglichen. Im Sinne eines ganzheitlichen Lernens greifen bei der Auseinandersetzung mit „Ein Überleben lang“ kognitives und emotionales Lernen ineinander.
EDGAR KUPFER-KOBERWITZ UND SEINE AUFZEICHNUNGEN
Wie der Titel bereits verrät, steht die Überlebensgeschichte des ehemaligen Dachau-Häftlings Edgar Kupfer-Koberwitz (*1906 bei Breslau, † 1991 in Stuttgart) im Vordergrund. Edgar Kupfer-Koberwitz wurde Ende 1940 in Italien verhaftet und in das KZ Dachau deportiert. Durch die Arbeit in einem privilegierteren Kommando in der etwas außerhalb des Stammlagers gelegenen Schraubenfabrik „Präzifix“ gelang es Edgar Kupfer-Koberwitz, heimlich die Lebensbedingungen im KZ Dachau unmittelbar festzuhalten. Die über 1.800 Seiten umfassenden Aufzeichnungen konnte er mit Hilfe von Mitgefangenen verstecken. Im April 1945 erlebte er die Befreiung des Lagers durch amerikanische Truppen. Mit Unterstützung der Befreier restaurierte er ab Mai 1945 seine Manuskripte, die in ihrem Versteck durch Grundwasser beschädigt worden waren. Der biografische Zugang war ein wichtiger Aspekt bei der Konzeption der Graphic Novel. Die Betrachtenden haben die Möglichkeit, Edgar Kupfer-Koberwitz als Menschen kennenzulernen, und zugleich nachzuvollziehen, wie er das Konzentrationslager Dachau während seiner Inhaftierung erlebt hat. Für Lehrkräfte wird zusätzlich zu einigen Unterrichtsentwürfen umfangreiches biografisches Material zu Edgar Kupfer-Koberwitz zur Hintergrundinformation zur Verfügung gestellt.
ZUM AUFBAU DER GRAPHIC NOVEL
Den Rahmen für die Erzählung bildet ein (fiktives) Gespräch zwischen Edgar Kupfer-Koberwitz, der mit der Restaurierung seiner Aufzeichnungen beschäftigt ist, und einem amerikanischen Befreier (B-Plot). Ihre Unterhaltungen führen Edgar Kupfer-Koberwitz zurück in die Vergangenheit als Häftling im KZ Dachau (A-Plot). Pädagog/-innen der Bildungsabteilung haben aus Edgar Kupfer-Koberwitz` Aufzeichnungen Situationen und Beschreibungen ausgewählt, die dabei helfen, die Lebensbedingungen im ehemaligen KZ Dachau zu verstehen. Die Gestaltung der digital mit Tintenstift und Tusche gezeichneten Illustrationen nimmt Bezug darauf, dass Edgar Kupfer-Koberwitz seine Manuskripte mit Tinte verfasste. In den überwiegend monochrom gehaltenen Zeichnungen sind blaue und orangene Farbakzente gesetzt. Das jeweilige Farbschema gibt Orientierung, in welchem Handlungsstrang sich die Rezipienten und Rezipientinnen gerade befinden (A-Plot = blau, B-Plot = orange). Um eng mit der historischen Quelle zu arbeiten, wurden in der Graphic Novel im A-Plot ausschließlich Originalzitate aus den Aufzeichnungen von Edgar Kupfer-Koberwitz verwendet. Alle Zeichnungen der Graphic Novel wurden so weit wie möglich auf Basis von Originalfotografien oder Aufzeichnungen angefertigt. Einige Schauplätze der Graphic Novel lassen sich heute bei einem Rundgang über das Gelände der KZ-Gedenkstätte noch verorten und ermöglichen so bei einem Besuch ein Wiedererkennen historischer Gebäude.