Die Digitalisierung der Dokumente der Konzentrationslager hat auch die Arbeit der Gedenkstättenarchive verändert. Recherchen erfolgen heute meist nicht mehr in den Magazinräumen, sondern in verschiedenen Datenbanken. Durch Suchabfragen können teils Häftlingsschicksale geklärt werden, die früher unlösbar schienen.
Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg begann bereits 2012 mit dem Aufbau einer digitalen Forschungsplattform zu NS-Opfern, den „Memorial Archives“. Die online zugängliche Datenbank zeigt auf einen Blick alle zu einem Häftling vorhandenen Dokumente und Informationen, wodurch beispielsweise Haftwege leichter nachvollzogen werden können. Die „Memorial Archives“ helfen den Archivmitarbeiter:innen dadurch ungemein, Anfragen von Angehörigen und Forschenden zu beantworten. Seit 2020 besteht darüber hinaus ein Kooperationsprojekt mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau, um auf Basis der „Memorial Archives“ eine neue Datenbank für die Bestände zum Konzentrationslager Auschwitz zu schaffen.
Um zu zeigen, wie die Digitalisierung der Archive hilft, Jahrzehnte nach der Befreiung der Lager historische Fragen zu beantworten, hat ein Projektteam der beiden Gedenkorte „Research Stories“ entwickelt. Dabei handelt es sich um eine digitale Plattform für Recherchegeschichten. Anhand konkreter Fälle erläutern Mitarbeiter:innen des Museums Auschwitz und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg die teils detektivischen Methoden, mit denen sie tagtäglich versuchen, Häftlingsschicksale zu klären. Ihre Schilderungen verdeutlichen jedoch auch den fragmentarischen Charakter möglicher Erkenntnisse, denn viele Dokumente sind bei der Räumung der Lager von der SS vernichtet worden.
„Research Stories“ lässt an Recherchen teilhaben und reagiert damit auf ein Interesse in vielen Archivanfragen. Nicht zuletzt durch Online-Datenbanken hat sich die Beauskunftung verändert: Wer sich heute an eine Gedenkstätte wendet, hat im Vorfeld oft schon selbst recherchiert. Den Anfragen finden sich deshalb häufig Scans von Dokumenten angehängt, die im Netz gefunden wurden. Angehörige haben manchmal auch ein Portraitbild der gesuchten Person vorliegen oder wissen etwas zu den Umständen der Verhaftung. Wenn sie den Gedenkstätten Fotos, Briefe und persönliche Dokumente zuschicken, helfen sie mit, den Verfolgten und Ermordeten ein Gesicht zu geben.
Durch die Informationsangebote im Netz sind Nachforschungen zwar für jedermann möglich geworden. Wer selbst recherchiert, stößt jedoch häufig an Grenzen. So sind die Datenbanken der Museen, Archive und Gedenkstätten aus datenschutzrechtlichen Gründen meist nicht vollständig zugänglich. Um gefundene Dokumente wie etwa Karteikarten, Transportlisten oder Personalbögen zu verstehen, ist außerdem spezielles Wissen notwendig. „Research Stories“ verhandelt deshalb Themen, die in den Anfragen an die Gedenkstätten regelmäßig wiederkehren: Wie kann das Grab eines Angehörigen gefunden werden? Lässt sich herausfinden, wie ein Häftling starb? Warum finde ich kaum Dokumente? Die Website gibt darüber hinaus Ratschläge für eigene Recherchen und verweist auf nützliche Links und Adressen.
„Research Stories. Spuren und Geschichten von KZ-Häftlingen“ ist ein digitales Angebot der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in drei Sprachen: Polnisch, Englisch und Deutsch. Die Website wird nach und nach um weitere Recherchegeschichten ergänzt.